Offen für Unendlichkeit
Ihre Bilder verleiten zum Träumen, haben etwas von der faszinierenden Weite maritimer Landschaften. Schier endlos kann das Auge in ihnen herum schweifen. Einengende Horizontlinien, trennende Grenzen zwischen Himmel, Erde und Wasser gibt es nicht. Selbst die auffälligen waagerechten Schichtungen in den Bildkompositionen der Eva Maria Enders rhythmisieren eher als dass sie einschränken, schwingen und vibrieren wie das ewige Wechselspiel an den Strand anrollender Wellen, wie das Relief, das Wind und Wasser in schier unendlichen Variationen im Sand zeichnen oder die Reflexe, die einfallendes Licht auf einer Wasserfläche aufschimmern lässt.
Vertieft wird der Eindruck von geradezu romantischer, Caspar David Friedrichscher Weite und Unendlichkeit noch durch die von Blautönen in unterschiedlichsten Nuancen beherrschte Farbigkeit, von Blautönen, die dagegengesetztes nachtdunkles Schwarz, vor allem aber das strahlende Weiß von Schaumkronen oder Gischtspritzern erst recht zum Leuchten bringt. Nur sparsam mischen sich dann und wann zusätzlich und unerwartet andere Farben ein, hier ein Streifchen Gelb, dort eine schmale Spur Grün.
Bei aller Beziehung zum realen Ausgangspunkt: Landschaften im traditionellen, im realistischen Sinn sind diese Bilder nicht und das signalisiert auch ihr Titel: „Open Spaces“. Eher sind sie in ihrem gestischen, spontanen Duktus, der betont wird durch die Überlagerung transparenter und opaker Schichten aus Dispersions- und Temperafarben, aus Farbpigmenten, verwandt den nichtgegenständlichen Kompositionen des Tachismus und besonders des Informel. Zu ihm hat die Künstlerin seit langem eine enge Beziehung. Nicht umsonst schrieb sie ihre Examensarbeit bei einem der wichtigsten Protagonisten dieser Kunstrichtung in Deutschland, bei K. O. Götz.
Und als ob diese „Open Spaces“ ihrer Schöpferin bzw. der oder dem Betrachtenden nicht schon genug kreative oder interpretatorische Freiheit bieten würden, baut die Enders in ihre Bilder zusätzlich konkrete „offene Räume“ ein. Offene Räume in ungewohnt geometrischer, kreis- oder streifenförmiger Gestalt, monochrome Flächen in Schwarz und Weiß, vorzugsweise betont unsymmetrisch und spannungssteigernd an den unteren oder seitlichen Bildrand gerückt. Sie sind so etwas wie Tummelplätze für das freie, nun wirklich grenzenlose Spiel der Phantasie, die sich hier austoben, sie eigenständig ausfüllen kann. Oder Ruhezonen fürs Auge, das nach ihrer meditationsfördernden Betrachtung desto aufnahmefähiger ist für das wirbelnde, die gesamte übrige Bildfläche beherrschende Strudeln und Wirbeln der Farben. Für eine ihrerseits nahezu unendliche Vielfalt an Texturen und Strukturen, die zum Schaffen der Eva Maria Enders untrennbar gehören, die jede ihrer Arbeiten zum immer neuen visuellen Abenteuer werden lassen.
Rhein-ZeDr. Liselotte Sauer-Kaulbach, Katalogtext „Thüringische Chinatage“, Ausstellung JenaKultur/Volksbad 2010tung/Kultur Freitag, 12.5.2010